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Ausländische Hilfsgelder versickern gerade in
Afrika oft im Sand. Sie können sogar schaden, die Korruption anheizen,
die wirtschaftliche Entwicklung hemmen und diktatorische Regime
zementieren.
In mindestens der Hälfte der Länder Afrikas herrschen entweder Kriege, machen Rebellen beziehungsweise Terroristen das Land unsicher, oder es grassiert extreme Armut.
Es
ist schwierig, politisch korrekt über Afrika zu sprechen. Berichtet man
über das verbreitete Elend auf dem Kontinent, heisst es, Afrika bestehe
doch nicht nur aus Kriegen und Katastrophen, man solle auch einmal über
Fortschritte, Modernisierung, Wirtschaftswachstum und den – angeblich – boomenden Mittelstand
berichten. Diese beschönigende, verharmlosende Kritik ist
seltsamerweise oft von links und aus Kreisen der
Entwicklungszusammenarbeit zu hören. Vielleicht soll damit dem Vorwurf,
die Hilfe habe nichts gebracht, vorgebeugt werden.
Es heisst auch, man solle nicht pauschalisierend über Afrika reden,
am besten vermeide man das Wort «Afrika» ganz. Aber der Mehrheit der
Bevölkerung in den meisten Ländern geht es schlecht, der Kontinent
bildet ökonomisch immer noch weit abgeschlagen das globale Schlusslicht,
und nur schon aus diesem Grund kann man weltwirtschaftlich sehr wohl
von Afrika sprechen. Es ist zynisch, so zu tun, als sei die schmale
Mittel- und Oberschicht repräsentativ für ein angeblich neues Afrika.
Wenn alles so prima wäre, warum möchten dann laut einer kürzlich
veröffentlichten Erhebung drei Viertel der jungen Erwachsenen Senegal verlassen, eines der demokratischsten und stabilsten Länder des Kontinents?
Hilfsgelder als Droge
Geht
man von den desolaten Zuständen in den meisten afrikanischen Ländern
aus, stellt sich die Frage nach den Ursachen. Verteidiger der
Entwicklungszusammenarbeit suggerieren oft, es liege am Westen (hier
gibt es weniger Skrupel zu verallgemeinern als beim Wort «Afrika»). Das
beginnt beim Sklavenhandel, geht über den Kolonialismus und endet bei
den angeblich vom Westen errichteten Handelsbarrieren, die Afrika in
Abhängigkeit halten und seinen Aufschwung verhindern würden. Das
Argument wird seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, obwohl
inzwischen die meisten afrikanischen Staaten, weil sie zu den am
wenigsten entwickelten Ländern der Welt zählen, fast alles zoll- und kontingentfrei in die EU exportieren
können. Es ist irreführend, zu suggerieren, der Abbau der wenigen noch
verbliebenen Handelsschranken würde zu einer Wende führen. Keine der
bisherigen Liberalisierungen gibt zu dieser Prognose Anlass. Man könnte
hier in Klammern anfügen, dass es aufseiten der afrikanischen Staaten
oft absurde Zollbestimmungen gebe, so wenn zum Beispiel sogar
Hilfslieferungen verzollt werden müssen und Organisationen zu abstrusen
bürokratischen Hindernisläufen verdammt werden, um helfen zu dürfen.
Erdöl- und Rohwarenfirmen wie Shell
oder Glencore werden – zum Teil zu Recht – gescholten, aber bei
korrupten Despoten wie Kabila, die letztlich die Bodenschätze an diese
ausländischen Firmen zu Spottpreisen verschleudern, blickt man diskret
weg. Man will nicht in den Ruch kommen, wieder einmal klischeehaft das
«Herz der Finsternis» zu evozieren. Nimmt man die politischen
Verhältnisse ins Visier, müsste man zugeben, dass nachhaltige
Entwicklungszusammenarbeit in einem Land wie Kongo-Kinshasa unter den
gegenwärtigen Bedingungen ziemlich hoffnungslos ist. Und es gibt mehrere
Länder mit einer vergleichbaren politischen Situation.
In
Wirklichkeit ist es ziemlich einfach: In mindestens der Hälfte der
Staaten herrschen Kriege, extreme Armut oder machen Rebellen
beziehungsweise Terroristen das Land unsicher. Oder sie leiden an
Staatschefs, die inkompetent, gleichgültig, wenn nicht sogar korrupt
sind und denen es nicht gelingt, die Volkswirtschaft zu diversifizieren
oder auch nur minimal zu industrialisieren. Auf mehrere Länder treffen
alle Bedingungen gleichzeitig zu. Die Investitionshemmnisse sind oft
politischer Natur und haben nichts mit einem angeblich schlechten Image
Afrikas und Vorurteilen zu tun. Viele Investoren sind durchaus
risikofreudig, aber es gibt Grenzen. Afrika wird «armregiert». Hinzu
kommt das starke Bevölkerungswachstum, welches das wirtschaftliche
Wachstum oft wieder wegfrisst. Aber auch dieses Thema ist ein Minenfeld
der politischen Korrektheit.
Für
einen Regenten ist es angenehm, wenn er kein Volk von Steuerzahlern vor
sich hat, sondern Vertreter von Organisationen, die froh sind, wenn sie
ihre Projekte durchführen können.
Entwicklungszusammenarbeit
wird überschätzt. Sie hilft sicher da und dort, wird oft mit grossem
Engagement und Wissen betrieben, aber am grossen Ganzen ändert sie nicht
viel. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Manchmal
schadet sie auch. «Hilfe ist wie Öl, sie erlaubt mächtigen Eliten,
öffentliche Einnahmen zu veruntreuen», schrieb der Ökonom Paul Collier.
Sie ist, vor allem in Form der Budgethilfe, eine automatische Rente, wie
jene aus den natürlichen Ressourcen. Solches «money for nothing» wirkt
wie eine Droge. Sie macht abhängig, korrumpiert den Empfänger und raubt
ihm die Motivation für Produktivität.
Es
handelt sich um eine unheilige Allianz zwischen «Gebern» und Regimen,
die dank dem finanziellen Zufluss in den Haushaltbereichen Gesundheit,
Soziales und Bildung sparen können und dafür mehr Geld übrig haben für
die persönliche Sicherheit oder die Armee. Das ist eine fatale
Interessenkonvergenz zwischen Wohlmeinenden und Despoten. Es ist
natürlich für einen Regenten angenehm, wenn er kein Volk von
Steuerzahlern vor sich hat, dem er Rechenschaft schuldig ist, sondern
Vertreter von Organisationen, die froh sind, wenn sie ihre Projekte
durchführen können. Entwicklungsgelder schaffen falsche Anreize.
So
kann für Regierungen Armut profitabel sein: Es ist einfacher,
Hilfsgelder zu verlangen, als eine funktionierende Wirtschaft
aufzubauen. In manchen Ländern gibt es mehr NGO als Firmen.
Ausländisches Geld kann korrupte Regime am Leben erhalten und
zementieren.
Junge Staatlichkeit
Abgesehen
von der humanitären Nothilfe, die eine moralische Pflicht ist, gibt es
zwei Arten von Entwicklungszusammenarbeit: einerseits die kleinen,
lokalen Projekte, die von der Bevölkerung vor Ort getragen werden. Die
Gefahr von Planungsruinen und «weissen Elefanten» ist hier eher klein.
Aber Brunnenbau und Initiativen zum Korbflechten können keine
Institutionen und Strukturen ersetzen. Es gibt kein wahres Leben im
falschen. Andererseits gibt es die Versuche zu strukturellen Reformen
beispielsweise des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP),
die beim grossen Ganzen ansetzen wollen. Aber dort ist die Gefahr der
Zweckentfremdung der Mittel und der bürokratischen Leerläufe umso
grösser. Entwicklung lässt sich nicht delegieren.
Auch
der generelle Hinweis auf den (Neo-)Kolonialismus, mit dem an das
schlechte Gewissen der Spender appelliert wird, bringt wenig. Das
Hauptproblem vieler afrikanischer Länder ist die junge Staatlichkeit.
Manche befinden sich immer noch in der Phase des Nation-Building oder
sind überhaupt Pseudostaaten, wie Kongo-Kinshasa. Natürlich kann man den
Kolonialmächten vorwerfen, dass sie wenig dazu beigetragen haben,
tragfähige politische Strukturen zu errichten und frühzeitig Kader
auszubilden. Aber ohne Kolonialismus sähe die Situation wahrscheinlich
in dieser Hinsicht nicht viel anders aus; möglicherweise wären die
Staaten noch weniger ausdifferenziert und fragiler. Im Bereich der
vorkolonialen Staatlichkeit unterscheidet sich Afrika radikal von Asien,
und das erklärt vielleicht auch, warum sich ein Land wie Vietnam, das
gleich mehrmals unter Kolonialismus und Krieg leiden musste, rascher
stabilisieren und entwickeln konnte.
Es
gibt vielerorts in Afrika, gerade unter Staatschefs, die Tendenz, die
Weissen für alle Übel des Kontinents verantwortlich zu machen und sich
so aus der Verantwortung zu stehlen. Bezeichnend ist allerdings, dass
dabei «der Europäer», auch im Verständnis der Bevölkerung, oft
ambivalent besetzt ist. Er ist Übeltäter, Kolonialist, Ausbeuter,
Unterdrücker, Rassist, aber auch Retter, Heilbringer, Geber, Wohltäter.
Diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich auch in der Migration, wenn sich Ausreisewillige Europa als Garten Eden vorstellen, zugleich aber einen angeblich allgegenwärtigen Rassismus beklagen.
NGO fordern seit Jahren, die westlichen Staaten müssten mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit investieren.
Vielleicht haben wir uns schon so an die Ökonomisierung und
Quantifizierung aller Lebensbereiche gewöhnt, dass uns die Seltsamkeit
dieser Forderung gar nicht mehr auffällt. Die Advokaten der
Entwicklungshilfe sind oft eher kapitalismuskritisch eingestellt; aber
offenbar haben sie die Geld-Logik so verinnerlicht, dass sie annehmen,
«mehr» sei automatisch «besser».
Der
Westen hat kein Interesse an einem armen Afrika, aus dem er einfach die
billigen Rohstoffe abtransportieren kann. Es stimmt nicht, dass die
«Multis» die Anstrengungen Afrikas, sich zu industrialisieren,
systematisch hintertreiben. Für Rohstofffirmen wäre es häufig
lukrativer, die Ressourcen vor Ort zu verarbeiten. Aber die
Voraussetzungen für diese Art längerfristigen Engagements –
Infrastruktur, Transportwege, Energieversorgung, Rechtssicherheit,
Personal, Stabilität – fehlen oft gerade in den Rohstoffländern. Ein
wohlhabendes, funktionierendes Afrika wäre nicht nur als
Produktionsstandort, sondern auch als Absatzmarkt für die
Industrieländer interessanter als der Kontinent im jetzigen Zustand.
Der
Text ist die gekürzte Version eines Vortrags, den der Autor am
15. August im Rahmen der Veranstaltung «Entwicklungspfade in Afrika und
in Asien» an der Universität Bern hielt. Am 22. August nimmt David
Signer an der Podiumsveranstaltung «Wer ist schuld am Elend Afrikas?» im
Kaufleuten in Zürich teil.
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