Τρίτη 18 Δεκεμβρίου 2018

Entwicklungshilfe ist ein Auslaufmodell


www.nzz.ch

Ausländische Hilfsgelder versickern gerade in Afrika oft im Sand. Sie können sogar schaden, die Korruption anheizen, die wirtschaftliche Entwicklung hemmen und diktatorische Regime zementieren.

In mindestens der Hälfte der Länder Afrikas herrschen entweder Kriege, machen Rebellen beziehungsweise Terroristen das Land unsicher, oder es grassiert extreme Armut. 

Es ist schwierig, politisch korrekt über Afrika zu sprechen. Berichtet man über das verbreitete Elend auf dem Kontinent, heisst es, Afrika bestehe doch nicht nur aus Kriegen und Katastrophen, man solle auch einmal über Fortschritte, Modernisierung, Wirtschaftswachstum und den – angeblich – boomenden Mittelstand berichten. Diese beschönigende, verharmlosende Kritik ist seltsamerweise oft von links und aus Kreisen der Entwicklungszusammenarbeit zu hören. Vielleicht soll damit dem Vorwurf, die Hilfe habe nichts gebracht, vorgebeugt werden.
Es heisst auch, man solle nicht pauschalisierend über Afrika reden, am besten vermeide man das Wort «Afrika» ganz. Aber der Mehrheit der Bevölkerung in den meisten Ländern geht es schlecht, der Kontinent bildet ökonomisch immer noch weit abgeschlagen das globale Schlusslicht, und nur schon aus diesem Grund kann man weltwirtschaftlich sehr wohl von Afrika sprechen. Es ist zynisch, so zu tun, als sei die schmale Mittel- und Oberschicht repräsentativ für ein angeblich neues Afrika. Wenn alles so prima wäre, warum möchten dann laut einer kürzlich veröffentlichten Erhebung drei Viertel der jungen Erwachsenen Senegal verlassen, eines der demokratischsten und stabilsten Länder des Kontinents? 

Hilfsgelder als Droge

Geht man von den desolaten Zuständen in den meisten afrikanischen Ländern aus, stellt sich die Frage nach den Ursachen. Verteidiger der Entwicklungszusammenarbeit suggerieren oft, es liege am Westen (hier gibt es weniger Skrupel zu verallgemeinern als beim Wort «Afrika»). Das beginnt beim Sklavenhandel, geht über den Kolonialismus und endet bei den angeblich vom Westen errichteten Handelsbarrieren, die Afrika in Abhängigkeit halten und seinen Aufschwung verhindern würden. Das Argument wird seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, obwohl inzwischen die meisten afrikanischen Staaten, weil sie zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt zählen, fast alles zoll- und kontingentfrei in die EU exportieren können. Es ist irreführend, zu suggerieren, der Abbau der wenigen noch verbliebenen Handelsschranken würde zu einer Wende führen. Keine der bisherigen Liberalisierungen gibt zu dieser Prognose Anlass. Man könnte hier in Klammern anfügen, dass es aufseiten der afrikanischen Staaten oft absurde Zollbestimmungen gebe, so wenn zum Beispiel sogar Hilfslieferungen verzollt werden müssen und Organisationen zu abstrusen bürokratischen Hindernisläufen verdammt werden, um helfen zu dürfen.

Erdöl- und Rohwarenfirmen wie Shell oder Glencore werden – zum Teil zu Recht – gescholten, aber bei korrupten Despoten wie Kabila, die letztlich die Bodenschätze an diese ausländischen Firmen zu Spottpreisen verschleudern, blickt man diskret weg. Man will nicht in den Ruch kommen, wieder einmal klischeehaft das «Herz der Finsternis» zu evozieren. Nimmt man die politischen Verhältnisse ins Visier, müsste man zugeben, dass nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit in einem Land wie Kongo-Kinshasa unter den gegenwärtigen Bedingungen ziemlich hoffnungslos ist. Und es gibt mehrere Länder mit einer vergleichbaren politischen Situation.
In Wirklichkeit ist es ziemlich einfach: In mindestens der Hälfte der Staaten herrschen Kriege, extreme Armut oder machen Rebellen beziehungsweise Terroristen das Land unsicher. Oder sie leiden an Staatschefs, die inkompetent, gleichgültig, wenn nicht sogar korrupt sind und denen es nicht gelingt, die Volkswirtschaft zu diversifizieren oder auch nur minimal zu industrialisieren. Auf mehrere Länder treffen alle Bedingungen gleichzeitig zu. Die Investitionshemmnisse sind oft politischer Natur und haben nichts mit einem angeblich schlechten Image Afrikas und Vorurteilen zu tun. Viele Investoren sind durchaus risikofreudig, aber es gibt Grenzen. Afrika wird «armregiert». Hinzu kommt das starke Bevölkerungswachstum, welches das wirtschaftliche Wachstum oft wieder wegfrisst. Aber auch dieses Thema ist ein Minenfeld der politischen Korrektheit.
Für einen Regenten ist es angenehm, wenn er kein Volk von Steuerzahlern vor sich hat, sondern Vertreter von Organisationen, die froh sind, wenn sie ihre Projekte durchführen können.

Entwicklungszusammenarbeit wird überschätzt. Sie hilft sicher da und dort, wird oft mit grossem Engagement und Wissen betrieben, aber am grossen Ganzen ändert sie nicht viel. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Manchmal schadet sie auch. «Hilfe ist wie Öl, sie erlaubt mächtigen Eliten, öffentliche Einnahmen zu veruntreuen», schrieb der Ökonom Paul Collier. Sie ist, vor allem in Form der Budgethilfe, eine automatische Rente, wie jene aus den natürlichen Ressourcen. Solches «money for nothing» wirkt wie eine Droge. Sie macht abhängig, korrumpiert den Empfänger und raubt ihm die Motivation für Produktivität.
Es handelt sich um eine unheilige Allianz zwischen «Gebern» und Regimen, die dank dem finanziellen Zufluss in den Haushaltbereichen Gesundheit, Soziales und Bildung sparen können und dafür mehr Geld übrig haben für die persönliche Sicherheit oder die Armee. Das ist eine fatale Interessenkonvergenz zwischen Wohlmeinenden und Despoten. Es ist natürlich für einen Regenten angenehm, wenn er kein Volk von Steuerzahlern vor sich hat, dem er Rechenschaft schuldig ist, sondern Vertreter von Organisationen, die froh sind, wenn sie ihre Projekte durchführen können. Entwicklungsgelder schaffen falsche Anreize.
So kann für Regierungen Armut profitabel sein: Es ist einfacher, Hilfsgelder zu verlangen, als eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen. In manchen Ländern gibt es mehr NGO als Firmen. Ausländisches Geld kann korrupte Regime am Leben erhalten und zementieren. 

Junge Staatlichkeit

Abgesehen von der humanitären Nothilfe, die eine moralische Pflicht ist, gibt es zwei Arten von Entwicklungszusammenarbeit: einerseits die kleinen, lokalen Projekte, die von der Bevölkerung vor Ort getragen werden. Die Gefahr von Planungsruinen und «weissen Elefanten» ist hier eher klein. Aber Brunnenbau und Initiativen zum Korbflechten können keine Institutionen und Strukturen ersetzen. Es gibt kein wahres Leben im falschen. Andererseits gibt es die Versuche zu strukturellen Reformen beispielsweise des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), die beim grossen Ganzen ansetzen wollen. Aber dort ist die Gefahr der Zweckentfremdung der Mittel und der bürokratischen Leerläufe umso grösser. Entwicklung lässt sich nicht delegieren.
Auch der generelle Hinweis auf den (Neo-)Kolonialismus, mit dem an das schlechte Gewissen der Spender appelliert wird, bringt wenig. Das Hauptproblem vieler afrikanischer Länder ist die junge Staatlichkeit. Manche befinden sich immer noch in der Phase des Nation-Building oder sind überhaupt Pseudostaaten, wie Kongo-Kinshasa. Natürlich kann man den Kolonialmächten vorwerfen, dass sie wenig dazu beigetragen haben, tragfähige politische Strukturen zu errichten und frühzeitig Kader auszubilden. Aber ohne Kolonialismus sähe die Situation wahrscheinlich in dieser Hinsicht nicht viel anders aus; möglicherweise wären die Staaten noch weniger ausdifferenziert und fragiler. Im Bereich der vorkolonialen Staatlichkeit unterscheidet sich Afrika radikal von Asien, und das erklärt vielleicht auch, warum sich ein Land wie Vietnam, das gleich mehrmals unter Kolonialismus und Krieg leiden musste, rascher stabilisieren und entwickeln konnte.

Es gibt vielerorts in Afrika, gerade unter Staatschefs, die Tendenz, die Weissen für alle Übel des Kontinents verantwortlich zu machen und sich so aus der Verantwortung zu stehlen. Bezeichnend ist allerdings, dass dabei «der Europäer», auch im Verständnis der Bevölkerung, oft ambivalent besetzt ist. Er ist Übeltäter, Kolonialist, Ausbeuter, Unterdrücker, Rassist, aber auch Retter, Heilbringer, Geber, Wohltäter. Diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich auch in der Migration, wenn sich Ausreisewillige Europa als Garten Eden vorstellen, zugleich aber einen angeblich allgegenwärtigen Rassismus beklagen.
NGO fordern seit Jahren, die westlichen Staaten müssten mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit investieren. Vielleicht haben wir uns schon so an die Ökonomisierung und Quantifizierung aller Lebensbereiche gewöhnt, dass uns die Seltsamkeit dieser Forderung gar nicht mehr auffällt. Die Advokaten der Entwicklungshilfe sind oft eher kapitalismuskritisch eingestellt; aber offenbar haben sie die Geld-Logik so verinnerlicht, dass sie annehmen, «mehr» sei automatisch «besser».

Der Westen hat kein Interesse an einem armen Afrika, aus dem er einfach die billigen Rohstoffe abtransportieren kann. Es stimmt nicht, dass die «Multis» die Anstrengungen Afrikas, sich zu industrialisieren, systematisch hintertreiben. Für Rohstofffirmen wäre es häufig lukrativer, die Ressourcen vor Ort zu verarbeiten. Aber die Voraussetzungen für diese Art längerfristigen Engagements – Infrastruktur, Transportwege, Energieversorgung, Rechtssicherheit, Personal, Stabilität – fehlen oft gerade in den Rohstoffländern. Ein wohlhabendes, funktionierendes Afrika wäre nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als Absatzmarkt für die Industrieländer interessanter als der Kontinent im jetzigen Zustand.
Der Text ist die gekürzte Version eines Vortrags, den der Autor am 15. August im Rahmen der Veranstaltung «Entwicklungspfade in Afrika und in Asien» an der Universität Bern hielt. Am 22. August nimmt David Signer an der Podiumsveranstaltung «Wer ist schuld am Elend Afrikas?» im Kaufleuten in Zürich teil.

Δεν υπάρχουν σχόλια:

Δημοσίευση σχολίου